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Energy Law Quarterly - An der Urne: Stromgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien

Publikationen 12. Juli 2024

Einleitung

Am 9. Juni 2024 stand das Bundesgesetz vom 29. September 2023 über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (Änderung des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes, bekannt auch als "Mantelerlass") zur Abstimmung. Das schweizerische Stimmvolk hat sich an der Urne mit 68.72 % Ja-Stimmen zur Annahme des Mantelerlasses entschieden.

Aktuelle Lage

Die sichere und zuverlässige Energieversorgung der Schweiz ist ein Thema, welches die Gesellschaft und Politik seit Längerem beschäftigt. Die Energieversorgung in der Schweiz wir nur mithilfe von Importen von Energieträgern gewährleistet, was unter anderem infolge geopolitischer Spannungen, geänderten Rahmenbedingungen in Nachbarstaaten und einem erhöhten Eigenverbrauch von Drittstaatenerschwert ist.

Laut der Schweizerischen Energiestiftung SES konnte der Energiebedarf der Schweiz im Jahr 2024 bis zum 17. April durch Produktion aus Wind-, Wasser- und Sonnenenergie gedeckt werden. Ab dem sogenannten "Energie-Unabhängigkeitstag" war die Schweiz auf den Import von Energieressourcen wie Uran, Gas oder Öl angewiesen. Kostenpunkt dafür waren in den letzten Jahren durchschnittlich 7 Milliarden Franken, die die Schweiz ins Ausland überwies. Insbesondere in den Wintermonaten zeichnet sich jeweils die Abhängigkeit von den Importen aus dem Ausland besonders ab.

Gesetzgebungsprojekte

Im Jahr 2017 nahm das schweizerische Stimmvolk die Gesetzesvorlagen zur Totalrevision des Energiegesetzes an. Dazu gehörte zum einen das Aus für Atomkraftwerke und zum anderen der Ausbau von Anlagen zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. 

Das Parlament ging mit der Verabschiedung des Mantelerlasses den nächsten Schritt, um die Versorgungssicherheit durch die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien im Inland zu stärken. Gegen die Gesetzesvorlage wurde jedoch das Referendum ergriffen und am 9. Juni 2024 dem Stimmvolk zur Abstimmung vorgelegt. 

Ziele und Inhalte

Das Ziel der Vorlage ist es im Wesentlichen, die sichere Stromversorgung durch Reduktion der Abhängigkeiten und den Zubau von Stromproduktionsanlagen aus erneuerbaren Energien (mit verbindlichen Zielen 2035 und 2050) zu stärken und die Energieeffizienz zu steigern. Weiter sollen Flexibilitäten (Steuerbarkeit von Bezug, Speicherung oder Einspeisung von Strom) von Endverbrauchern, Erzeugern und Speicherbetreibern (sogenannte Flexibilitätsinhaber) genutzt sowie die dezentrale Produktion durch beispielsweise lokale Elektrizitätsgemeinschaften in die Stromnetze integriert werden. 

So soll zum Beispiel mit der Möglichkeit zur Einführung von dynamischen Netznutzungstarifen bezweckt werden, dass Stromnetze nicht durch dezentrale Einspeisungen belastet und stattdessen Anreize für einen stabilen und sicheren Netzbetrieb gesetzt werden.

Als Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz wurden Reduktionsziele des Winterstromverbrauchs festgelegt, Programme zur Förderung von technischen Effizienzmassnahmen ausgebaut und ein Effizienzdienstleistungsmarkt eingeführt. Dabei müssen Stromlieferanten jährlich einen bestimmten Prozentsatz ihres Stromabsatzes mit Massnahmen für Effizienzsteigerungen einsparen. Soweit sie ihre Stromsparvorgaben nicht selber erfüllen, müssen sie Nachweise von Dritten erwerben, die solche Massnahmen in der Schweiz beinhalten. 

Finanzielle Beiträge und eine Solarpflicht auf Dächern und Fassaden sollen den Ausbau von Solaranlagen weiterhin beschleunigen. Die Pflicht zur Nutzung der Sonnenenergie besteht für neue Gebäude mit einer anrechenbaren Gebäudefläche von mehr als 300 m2. Die Kantone haben zudem die Kompetenz, die Solarpflicht auf Gebäude mit kleinerer Gebäudefläche auszudehnen und Ausnahmen zu regeln.

Die demokratischen Mitspracherechte der Bevölkerung auf kantonaler und kommunaler Ebene bleiben mit der Vorlage bestehen. Auf Gemeindeebene oder auf kantonaler Ebene können darum weiterhin Volksabstimmungen über neue Solar- und Windparks durchgeführt werden. Auch über Wassernutzungskonzessionen wird wie bisher auf Stufe Kanton oder Gemeinde entschieden. Eine Ausnahme gibt es bei den 16 in der Vorlage genannten Wasserkraftwerken. Im Anhang zum Stromversorgungsgesetz sind die 16 Vorhaben aufgeführt, welche den Ausbau von bestehenden sowie den Bau von neuen Speicherwasserkraftwerken beinhalten. Diese dienen der Erhöhung der Speicherkapazität von Strom im Winter und damit der Versorgungssicherheit. Bei diesen Anlagen entfallen künftig die Nutzungsplanung und die damit verbundenen Mitsprachemöglichkeiten. 

Windkraft- und Solaranlagen gelten ab einer bestimmten Grösse und Bedeutung als Anlagen von nationalem Interesse. Dies hat zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit für die Bewilligung einer Anlage erhöht wird. Der Vorrang gilt aber nicht absolut, eine Bewilligungsgarantie wurde damit nicht verankert. Jedes Projekt muss weiterhin einzeln beurteilt und bewilligt werden. 

Zu den erleichterten Planungsbedingungen für die Solar- und Windkraftanlagen in geeigneten Gebieten sowie für die 16 Wasserkraftwerke gehört zudem, dass der Bedarf und die Standortgebundenheit dieser Anlagen als ausgewiesen gelten und diese Voraussetzungen von Behörden oder Gerichten nicht mehr überprüft werden können. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Anlage bewilligt werden kann.

Kritische Stimmen

Es bestand zwar allgemein Einigkeit darüber, dass Handlungsbedarf bei der Energie- und Stromversorgung der Schweiz besteht. Aber es wurden auch kritische Stimmen laut, die das Referendum gegen die Gesetzesvorlage ergriffen und die Abstimmung herbeiführten.

So bestand unter anderem die Befürchtung, dass die erleichterten Planungsbedingungen zu einer Einschränkung der Souveränität des Volkes, der Kantone und der Gemeinden zur Folge haben würden. Auch wurden die fehlenden Beschwerdemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie die verkürzten Bewilligungsverfahren kritisch betrachtet. 

Auch wenn die Beschwerdemöglichkeiten von Privaten und Verbänden zwar grundsätzlich bestehen bleiben, so ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese aufgrund der erleichterten Planungsbedingungen eine geringere Aussicht auf Erfolg haben werden als bis anhin. Damit kann aber gerade auch das Ziel eines rascheren Zubaus ermöglicht werden.

Das Gesetz sieht zwar keine neuen Abgaben vor. Der Netzzuschlag als Finanzierungsvehikel für die Förderung der erneuerbaren Energien bleibt unverändert bei 2,3 Rappen pro Kilowattstunde. Die Branche rechnet aber mit Preiserhöhungen, da neue Investitionen, mehr Regulierung und zusätzliche Aufgaben auf die Netzbetreiber zukommen werden.

Die mit dem Mantelerlass geänderten Gesetze treten voraussichtlich am 1. Januar 2025 in Kraft.


Ein Beitrag von Marc Grüninger, Patrizia Lorenzi

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