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valfor Energy Law Quarterly - Oktober 2024 - Solarpflicht in der Schweiz

Publikationen 7. Oktober 2024

Einleitung

Am 9. Juni 2024 wurde das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (bekannt auch als "Mantelerlass") vom schweizerischen Stimmvolk angenommen. Die mit dem Mantelerlass geänderten Gesetze sollen am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Allerdings wird der Bundesrat erst gegen Ende Jahr 2024 über den Zeitpunkt des Inkrafttretens beschliessen.

 

Solarpflicht im Bundesgesetz verankert

Als Folge der Annahme des Mantelerlasses besteht gestützt auf den künftigen Art. 45a Energiegesetz (EnG, SR 730.0) in der ganzen Schweiz eine Solarpflicht. Jene Kantone, die bisher noch keine Solarpflicht gestützt auf kantonale Gesetze eingeführt hatten, sind nun an die Bundesvorgaben gebunden. Danach müssen auf Dächern und Fassaden beim Bau neuer Gebäude mit einer anrechenbaren Gebäudefläche von mehr als 300 m2 Solaranlagen (z.B. Photovoltaik- oder Solarthermie) erstellt werden. 

 

Kompetenz der Kantone

Von der Pflicht zu Solaranlagen auf Dächern und Fassaden beim Bau neuer Gebäude von mehr als 300 m2 können die Kantone Ausnahmen festlegen, so insbesondere, wenn das Erstellen einer Solaranlage anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unverhältnismässig ist. 

Die Kantone haben aber auch die Kompetenz, die Solarpflicht auf Gebäuden mit einer anrechenbaren Gebäudefläche von 300 m2 oder weniger vorzusehen. Eine tiefere Untergrenze als in Art. 45a EnG wollte beispielsweise der Kanton Uri einführen. Am 22. September 2024 hatte das kantonale Stimmvolk die Gelegenheit, über die kantonale Energieverordnung abzustimmen. Diese sah vor, dass Neubauten mit einer anrechenbaren Gebäudefläche von 100 m2 künftig die Sonnenergie nutzen müssen. Dies vor allem deshalb, weil in den Jahren 2015 – 2020 nur etwa 19 Prozent aller Neubauten des Kantons Uri eine Fläche von über 300 m2 aufwiesen, hingegen 72 Prozent von über 100 m2. Die Bevölkerung stimmte jedoch dagegen, weshalb bis auf weiteres die Bundesgesetzgebung massgebend ist.

Kantone, welche die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn 2014) betreffend Anforderungen zur Eigenstromerzeugung bei Neubauten (mindestens 10 Watt pro m2 Energiebezugsfläche gemäss SIA 380, bis maximal 30 kW) bis am 1. Januar 2023 eingeführt hatten, sind von der Umsetzung der Solarpflicht gemäss Art. 45a Abs. 1-3 EnG befreit. 

Befreit sind bereits 22 Kantone. Zwei weitere Kantone haben sich für einen alternativen Weg entschieden (BE, VD) und in zwei Kantonen (AG, SO) wird nur Art. 45a EnG gelten.[1]

Im Kanton Bern beispielsweise wurde bereits Anfang Jahr 2023 mit der revidierten, kantonalen Energieverordnung die Pflicht zur Nutzung der Sonnenenergie bei Gebäuden von mehr als 300 m2 eingeführt (Art. 31a KEnV). Gemäss der kantonalen Vorgabe müssen mindestens 10 Prozent der anrechenbaren Gebäudefläche mit Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen ausgerüstet werden. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Erstellung einer Photovoltaik- oder Solarthermieanlage anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, technisch nicht möglich ist oder wirtschaftlich unverhältnismässig. Unverhältnismässig sind gemäss Angaben des kantonalen Amtes für Umwelt und Energie z.B. Kosten von mehr als 20 % im Vergleich zu den Gesamtkosten des Neubaus.

Beim Ausnahmegrund betreffend öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist zum Beispiel an die Vorschriften bezüglich Kulturdenkmäler von kantonaler oder nationaler Bedeutung zu denken. Bei solchen Schutzobjekten wird für Solaranlagen immer eine Baubewilligung benötigt, auch wenn sonst in der Regel nur noch eine Meldepflicht für Solaranlagen besteht.

 

Kommunale Vorschriften

Basierend auf kantonale Energiegesetze und einer entsprechenden Delegationsnorm kann es auch vorkommen, dass Gemeinden bereits eine Solarpflicht eingeführt haben. Falls eine solche besteht, muss diese ab Inkraftsetzung mindestens den Vorgaben von Art. 45a EnG entsprechen.

Viele Kantone delegieren zudem auch die Fragen der Ästhetik an die Gemeinden. Häufig enthalten kommunale Bauordnungen deshalb Gestaltungsvorschriften zum Beispiel zum Ortsbildschutz. Bauprojekte sollen eine gute Gesamtwirkung erzielen und z.B. Merkmale des Strassen-, Landschafts- und Ortsbildes berücksichtigen. 

Solche kommunalen Gestaltungsvorschriften haben grundsätzlich selbständige Bedeutung. Dadurch haben die Gemeinden einen wichtigen Spielraum in der Interessenabwägung zwischen Ortsbild-Schutzanliegen und der Nutzung der Solarenergie beziehungsweise der Umsetzung der Neubauvorgaben auf und an Gebäuden.

Solche auf lokale Gegebenheiten zugeschnittene Gestaltungsvorschriften können zwar hilfreich sein, sie können aber die Arbeit von Planern und Installationsbetrieben deutlich erschweren, weil solche Vorschriften von Gemeinde zu Gemeinde variieren und zudem auch das kantonale Recht stärker einschränken. Solche Vorschriften können zudem mit den übergeordneten Vorschriften zur Solarpflicht kollidieren. 

Wie solche Interessenkollisionen gelöst werden und in welchen Fällen von der Solarpflicht abgewichen werden kann oder muss, wird die künftige Praxis, insbesondere die kantonale und bundesrichterliche Rechtsprechung zeigen. Eine genaue Prüfung ist bei Bauvorhaben somit unabdingbar.

 


Ein Beitrag von Marc Grüninger, Patrizia Lorenzi

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