TaxPage - Interkantonale Doppelbesteuerung – Unternehmenssteuerhoheit
Einleitung
Die Schweizerische Bundesverfassung verbietet ausdrücklich die interkantonale Doppelbesteuerung, was bedeutet, dass zwei Kantone denselben Steuerpflichtigen nicht auf derselben Grundlage und für denselben Zeitraum mit einer gleichartigen Steuer belasten dürfen (Art. 127 Abs. 3 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft). Es kann jedoch Situationen geben, in denen sich zwei Kantone um die Zuständigkeit für die Erhebung einer Steuer streiten. Das Urteil des Bundesgerichts vom 16. Juli 2025 (9C_496/2024) veranschaulicht diese potenziellen Spannungen perfekt.
Problematik
Nach schweizerischem Steuerrecht unterliegen Unternehmen der Kapital- und Gewinnsteuer des Kantons, in dem sie ihren Sitz oder ihre tatsächliche Verwaltung haben (Art. 20 Abs. 1 StHG).
Im oben genannten Urteil hatte ein Unternehmen seinen Sitz im Jahr 2016 von Zürich nach Zug verlegt und kehrte im Jahr 2020 nach Zürich zurück. Der Kanton Zug beanspruchte die Zuständigkeit für die Besteuerung der Gesellschaft, da sich ihr satzungsmässiger Sitz dort befand und die Gesellschaft über Räumlichkeiten, Personal und Infrastruktur im Kanton verfügte. Der Kanton Zürich argumentierte hingegen, dass die Gesellschaft keine tatsächliche Verwaltung am statutarischen Sitz habe und dass die effektive Geschäftsleitung am Wohnsitz ihres einzigen Verwaltungsratsmitglieds im Kanton Zürich angesiedelt sei. Die Zuständigkeit für die Besteuerung der Gesellschaft liege daher in Zürich.
Tatsächliche Verwaltung
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGer) definiert den Ort der tatsächlichen Verwaltung einer Gesellschaft als den Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen der Gesellschaft über ihre laufende Geschäftsführung getroffen werden. Die Lehre spricht vom sogenannten «Day-to-day Management». Die tatsächliche Verwaltung ist von der blossen administrativen Verwaltung (Buchhaltung, Dokumentenverwaltung usw.) und der strategischen Tätigkeit der obersten Gesellschaftsorganen zu unterscheiden, die grundsätzlich keinen Einfluss auf die Steuerpflicht der Gesellschaft haben.
Nach Ansicht des Bundesgerichts kann der private Wohnsitz des Verwaltungsratsmitglieds mit dem Ort der tatsächlichen Verwaltung übereinstimmen, wenn die laufenden Geschäftsentscheidungen hauptsächlich dort getroffen werden. Im vorliegenden Fall argumentierte der Kanton Zürich, dass die tatsächliche Verwaltung am Wohnsitz des Verwaltungsrats angesiedelt sein müsse, da sie am Sitz der Gesellschaft nicht nachgewiesen sei. Das Bundesgericht hat klargestellt, dass der Wohnsitz des Verwaltungsratsmitglieds keinen subsidiären Steuerort darstellt. Mit anderen Worten: Selbst wenn die Gesellschaft nicht nachweisen kann, dass ihre tatsächliche Verwaltung an ihrem satzungsmässigen Sitz erfolgt, kann diese nicht automatisch auf den Wohnsitz des Geschäftsführers übertragen werden.
Beweislast
Die Beweislast im Steuerrecht richtet sich nach den Grundsätzen des Zivilrechts (Art. 8 Schweizerisches Zivilgesetzbuch). Es obliegt dem Kanton, der die Besteuerung geltend macht, das Vorliegen der zuständigkeitsbegründenden Elemente nachzuweisen. Bei anhaltenden Zweifeln oder unzureichenden Beweisen hat dieser Kanton die Folgen zu tragen. Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht festgestellt, dass die Tatsache, dass der alleinige Geschäftsführer hauptsächlich Geschäftstermine in Zürich und Bern hatte, nicht ausreichte, um nachzuweisen, dass die tatsächliche Verwaltung an seinem Wohnort liegt. Darüber hinaus stellte die Tatsache, dass das Unternehmen vor und nach dem streitigen Zeitraum seinen Sitz in Zürich hatte, nach Ansicht des Bundesgerichts keinen ausreichenden Beweis dar.
Folgen
Da der Kanton Zürich keinen Nachweis dafür erbracht hat, dass die tatsächliche Verwaltung am Wohnsitz des Verwalters angesiedelt war, bleibt der Kanton Zug allein für die Besteuerung der streitigen Jahre zuständig.
Fazit
Dieses Urteil unterstreicht die zentrale Bedeutung des Kriteriums der tatsächlichen Verwaltung für die Bestimmung des steuerlichen Sitzes eines Unternehmens. Es verdeutlicht auch zwei grundlegende Punkte: Erstens kann der Wohnsitz der Person, die die tatsächliche Verwaltung des Unternehmens innehat, nicht als Anknüpfungspunkt herangezogen werden, wenn keine eindeutigen und konkreten Beweise vorliegen. Zweitens liegt die Beweislast bei dem Kanton, der die Steuerhoheit beansprucht. Bleiben Zweifel bestehen, wird das Unternehmen an seinem Sitz besteuert.
Bei der Gründung eines Unternehmens ist es wichtig, diese Punkte bei der Entscheidung über den Standort des Firmensitzes zu berücksichtigen.
Ein Beitrag von Daniel Gatenby